Rheinische PostMontag, den 23. Dezember 2002
Weihnachtsoratorium 1
Tonschön
Ganz gleich wie oft es in der Advents- und Weihnachtszeit erklingt – das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach erweist sich immer wieder als Publikumsmagnet. So war bei der Aufführung der Kantaten 1-3, denen sinnvollerweise die Adventskantate BWV 62 »Nun komm, der Heiden Heiland«, ebenfalls aus der Feder des Thomaskantors, vorangestellt war, auch das Kirchenschiff der Johanneskirche ganz gefüllt, ebenso ein Großteil der Emporenplätze.
Wolfgang Abendroth ist offenbar der neue Kantor (in der Nachfolge von Joachim Vogelsänger), von dessen Werdegang man gerne Näheres erfahren hätte. Aber weder über ihn noch über die zum Teil hervorragenden Solisten gab das magere Programmblatt Auskunft.
Bestens geschulter Klangkörper
Abendroth, einem noch recht jung erscheinenden Musiker, der präzise, übersichtlich, manchmal ein wenig zu kleinteilig dirigierte, standen kompetente Partner zur Seite. Die rund siebzig Sängerinnen und Sänger der »Johanneskantorei« mit einem beneidenswert niedrigen Altersdurchschnitt sind ein schon seit Jahren viel beachteter, bestens geschulter und konzerterfahrer Klangkörper, mit dem zu arbeiten gerade einem vielleicht noch nicht allzu erfahrenen Kirchenmusiker eine Freude sein muss. Expressive, dabei homogene Vokalkultur, das Wissen um stilgerechte Interpretation und ausgeprägter Gestaltungswille lassen diese Chorgemeinschaft weit hochrangiger erscheinen als das, was man gemeinhin unter »Kantorei« versteht. Der Dirigent hatte somit kaum Gestaltungsmühen, und wenn er – beispielsweise im »Ehre«-Chor – ein wenig linearer dirigiert hätte, wäre das Klangergebnis noch überzeugender gewesen.
Brillante Holzbläser
Eine kleine, aber feine Abordnung des Orchesters Düsseldorfer Altstadtherbst machte ebenfalls keine Probleme. Die engagierten Musiker begleiteten flexibel und tonschön und hatten mit strahlenden Hoch-B-Trompeten, einer exzellenten Sologeigerin, brillanten Holzbläsern und einer akkuraten Continuo-Gruppe großen Anteil am guten Gelingen.
Eine Entdeckung ist Marc Adler (Tenor), der nicht nur als lebendig gestaltender Evangelist überzeugte, sondern auch in der tadellos gemeisterten Koloraturarie »Frohe Hirten«. Schlank und nuancenreich, mit breiter Farbskala und ohne gefühlige Drücker fesselte die Altistin Kaja Plessing. Leider konnte Phillip Langshaw diesmal dem Standard seiner Solistenkollegen nicht entsprechen, sein Bass wirkte farblos und hatte Höhenprobleme. er suchte mit überzogenen Tempi die Schwierigkeiten zu kaschieren, was im Duett »Herr, dein Mitleid« auch die Leistung der wunderschön ausgeglichen singenden Sopranistin Michaela Krämer beeinträchtigte.
HEIDE OEHMEN
Rheinische PostMittwoch, den 26. Juni 2002
Rossinis »Petite Messe«
Funkelnde Pracht
Mit einiger Verspätung begann das jüngste Konzert in der Johanneskirche mit Gioacchino Rossinis »Petite Messe solennelle«. Tenor Juhan-Hannes Tralla von der Volksoper Wien war Opfer eines überbuchten Flugs geworden und musste sich – sichtlich abgehetzt und ohne Probe – ins Geschehen stürzen. Trotzdem sang er wunderschön zwischen Lyrik und Heldischem mit staunenswerter Ruhe seine eingängige und sehr dankbare Arie »Domine Deus«.
Auch Thomas Wittig konnte seinen markanten Bass wirkungsvoll einsetzen und verstand es, den unendlichen Wiederholungen der »Quoniam«-Arie dynamische Vielfalt angedeihen zu lassen. Für Rossinis klangliche Opulenz eigentlich zu schmal ist der hell-timbrierte, im Forte (in der Höhe) etwas flackrige Sopran der Lisa Griffith von der Rheinoper. Doch sie bestach durch Anmut und eindringliche Gestaltungskraft.
Die Krone gebührt der überwältigen Leistung von Elisabeth Graf. Ihr edel getönter Alt, der bruchlos strömt, und dem sie alles abverlangen kann, machte den Abend zum Ereignis (Agnus Dei!). Im Quartett zeigten die Solisten, über die im Programmheft leider nichts zu erfahren war, vorbildlichen Ensemblegeist.
Joachim Vogelsänger hatte sich für die Orchesterfassung der Messe entschieden. Rossini sah bald nach der Uraufführung seines Alterswerks ein, dass die Originalkonzeption (zwei Klaviere und Harmonium) bei Aufführungen in großen Kirchen nicht reicht. So erstellte er eine zweite Fassung, die neben dem Streicherapparat und den Holzbläsern zwei Harfen und groß besetztes Blech verlangt.
»Westdeutsche Sinfoniker« musizierten unter Vogelsängers kundiger und stilsicherer Leitung engagiert und tonschön, doch hätte der Kantor die spielfreudigen Blechbläser häufiger dämpfen müssen, vor allem zum Wohle der nicht selten zugedeckten Solisten.
Trefflich vorbereitet erwies sich wiederum die Johanneskantorei. Fast ausgeglichen (ein paar Tenöre mehr könnten's – wie überall – sein), mit funkelnder Klangpracht, trotzdem immer durchhörbar, hatten sie wesentlichen Anteil an der durchgängig fesselnden Interpretation einer Messkomposition, die archaische Strenge in den a-capella-Teilen mit Opernhaftem meisterlich verbindet.
Die Zuhörer in der zu gut zwei Dritteln gefüllten Johanneskirche zeigten sich zu Recht begeistert.
HEIDE OEHMEN